Zeitungsartikel
Geschirr für Hunde
Ronja Becker hat es gewagt: Die gelernte Sattlerin hat sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig gemacht und fertigt maßgeschneiderte Hundegeschirre. Allerdings zunächst im Nebenerwerb. Mit ihren eigenen drei Hunden fing alles an.
Wer in der Manufaktur von Ronja Becker in Osnabrück vorbeischaut, der wird an der Tür nicht nur von ihr und Partner Alexander Rust begrüßt, sondern auch von den beiden Hunden Mexx (12) und Mila (6). Abbas (4), der Pinscher Schnauzer und größter der Vierbeiner, komplettiert das Trio, ist aber an diesem Tag nicht im Haus.
Ronja Becker ist für die Fertigung zuständig, Alexander Rust übernimmt alles rund um den Versand. Zusammen sind sie bei „WauWau - das Hundegeschirr“ ein Team. Hündin Mila hat zu Beginn die Prototypen der Geschirre getestet. Foto: Michael Gründel
Er ist allerdings, wenn man so will, der Grund für den Besuch. Denn mit „seinem“ Problem begann die Selbstständigkeit der beiden Osnabrücker. „Er ist zwischen zwei Größen“, erklärt Ronja Becker mit Blick auf Hundegeschirre. Ihre Erfahrung: So richtig passte ihm nichts.
Geschirre werden an den Hund angepasst
Mit Abbas sind Ronja Becker und Alexander Rust auch im Verein PSK Osnabrück und Umgebung. „Da haben wir gemerkt, dass wir mit dem Problem nicht alleine sind“, sagen sie.
Zunächst hätten sie sich umgehört, was bei anderen Hunden an den Geschirren nicht passt. Dann haben sie mit verschiedenen Materialien etwas rumprobiert und Prototypen gebaut, wobei Ronja Becker ihre Erfahrung als gelernte Sattlerin zugutegekommen ist. Abbas, aber auch Mexx und Mila mussten immer wieder testen. So lange, bis die beiden Osnabrücker etwas gefunden hatten, das passt – beziehungsweise passend gemacht werden kann.
Denn die Idee ist am Ende ganz einfach: Entweder vom Halter selbst zu Hause oder von Ronja Becker in ihrer Manufaktur wird dem Vierbeiner ein sogenanntes Messgeschirr angelegt. Passiert das zu Hause, bekommt die 32-Jährige das Messgeschirr per Post zurück. Anhand dieser Maße fertigt sie dann das richtige Geschirr in den Farben, die der Kunde sich wünscht.
In ihrem Arbeitszimmer schneidet Ronja Becker die Stoffe zu. Foto: Michael Gründel
Die Stoffe, die das junge Unternehmen einkauft, entsprechen in Muster und Farbe dabei nicht immer dem Geschmack der Osnabrücker. „Das muss es aber auch nicht. Manchmal bin ich überrascht, was nachgefragt ist“, sagt Ronja Becker. 95 Prozent der Kunden seien Frauen.
Vollzeitjob gibt Sicherheit
Das Handwerkliche und die Nähmaschine wieder miteinander zu vereinen, macht der 32-Jährigen Spaß. Nach der Schule hatte sie in Berlin eine Ausbildung zur Reitsportsattlerin gemacht. „Hier in der Umgebung gibt es wenige Sattlereien, die ausbilden“, erzählt Ronja Becker. Viele seien zu klein oder würden vor allem klassischerweise Reparaturen durchführen.
Heute arbeitet sie hauptberuflich – ebenso wie Alexander Rust – in einem Bissendorfer Unternehmen, das Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung fertigt. Gegründet wurde „WauWau – das Hundegeschirr“ also im Nebenerwerb. Vor allem die Wochenenden verbringt Ronja Becker an der Nähmaschine. Die Sicherheit, die der Angestellten-Job bringt, schätzen beide. „Selbstständig zu sein ist auch ein Risiko“, sagt Ronja Becker.
„WauWau - das Hundegeschirr“ haben Ronja Becker und Alexander Rust ihr Unternehmen genannt. Foto: Michael Gründel
Auf Dauer könnte sich die 32-Jährige aber schon vorstellen, ihre Stunden zu reduzieren und sich noch mehr dem Unternehmen zu widmen. Doch bleibt die Nachfrage das ganze Jahr über hoch? Aktuell fertigt Becker bis zu zehn Geschirre pro Woche. Nach Messen sind es etwas mehr. „Wir fangen klein an. Dann geht es Schritt für Schritt“, ist Alexander Rust überzeugt. Während Ronja Becker der handwerkliche Kopf mit Blick fürs Detail ist, übernimmt er den organisatorischen Part wie den Versand.
Marktlücke gesehen und ausgefüllt
Dass sie sich die Aufgaben teilen können, schätzen die beiden. „Alleine hätten wir das wahrscheinlich nicht gemacht“, sagen sie mit Blick auf die Gründung. Zumal ein eigenes Unternehmen zu aufzubauen – so wie es zuletzt 1113 Frauen in Stadt und Landkreis Osnabrück getan haben – eigentlich nie ihr Ziel gewesen sei, sagt Ronja Becker.
Die Hundegeschirre aus Osnabrück werden per Hand genäht. Die Farbwahl liegt beim Kunden. Foto: Michael GründelWarum sie es zusammen mit Alexander Rust trotz Konkurrenz, der sich die beiden durchaus bewusst sind, doch gemacht hat? „Wir wollten helfen und haben eine Marktlücke gesehen“, sagt die Osnabrückerin. Durch Materialien und die individuellen Anpassungen wollen sie sich absetzen.
Dass sich die Idee so gut entwickeln würde, damit hat Ronja Becker gar nicht gerechnet. Die Einnahmen investieren die Osnabrücker aktuell wieder in die Firma, beispielsweise in einen Messestand, ein Show-Room soll noch im Garten gebaut werden.
Mit ihren eigenen Hunden fing alles an. Foto: Michael Gründel
Und auch die Geschirre selbst wollen Becker und Rust weiterentwickeln. „Wir lernen von jedem Hundetypen etwas dazu.“
Osnabrück: Sattlerin Ronja Becker hat ein Unternehmen gegründet | NOZ